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(UN) BEDINGT SYSTEMRELEVANT – Gemeinsam gegen Existenznot und Wohnungslosigkeit

herausgegeben von Sabine Bösing und Joachim Krauß

Der vorliegende Band umfasst wesentliche Beiträge der Bundestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) des Jahres 2022. Unter dem Titel „(UN) BEDINGT SYSTEMRELEVANT – Gemeinsam gegen Existenznot und Wohnungslosigkeit“ führte sie vom 2. bis 4. März 2022 fast 1.000 Mitwirkende und Teilnehmende zusammen. Die Bundestagung stand thematisch und organisatorisch – als hybride Veranstaltung an den ersten beiden Tagen und Onlinetagung zum Abschluss – noch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie.

Diese hatte in der Gesellschaft bereits deutliche Spuren hinterlassen und zeigte, dass sich soziale Ungleichheiten nicht aufhoben, sondern verstärkten und wie Benachteiligungen miteinander verschränkt sind. Insbesondere für Menschen in Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit ist die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe weiterhin ein fernes Ziel. Die Dienste und Einrichtungen im Wohnungsnotfall stellen als letztes Netz lebensnotwendige Hilfen zur Verfügung und sichern das Überleben. Sie schafften es, ihre Angebote in der Corona-Pandemie aufrechtzuerhalten, wofür die politische Anerkennung oft ausblieb. Das hohe Engagement, mit dem die Mitarbeitenden in den Wohnungsnotfallhilfen unter schwierigsten Bedingungen die notwendige Unterstützung gewährten, wurde als eine Selbstverständlichkeit gesehen.

Inzwischen zeigt sich, dass die vielerorts unbürokratisch getroffenen Erleichterungen – z. B. 24/7-Unterbringungen, vereinfachte Antragsverfahren oder längere Hilfegewährung – nur vorübergehenden Charakter hatten und nicht als Blaupause für grundlegende Verbesserungen genutzt wurden. Eine eindeutige Folgerung ist daher die dringende Notwendigkeit einer Nationalen Strategie zur Überwindung von Existenznot und Wohnungslosigkeit. Auch wenn die Lage der Menschen in Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit in der politischen und allgemeinen Öffentlichkeit Beachtung findet – wie der Nationale Aktionsplan zur Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zeigt, zu dem sich die Bundesregierung verpflichtet hat – ist die Ausgrenzung weiterhin Realität. Zusätzlich haben sich die gesellschaftlichen Rahmbedingungen deutlich verschlechtert.

Die BAG W-Bundestagung stand im März 2022 bereits unter dem Eindruck des Angriffs Russlands auf die Ukraine. Als eine der Folgen ist die Zahl der Schutzsuchenden auch in der Bundesrepublik stark gestiegen. Die öffentlichen Haushalte sind durch die Corona-Pandemie in finanziellen Nöten, gleichzeitig erhöhen die Folgen von Energie- und Klimakrise die Wohnkosten drastisch und die Konkurrenzen um bezahlbaren Wohnraum belasten weite Teile der Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund thematisieren die 26 Beiträge weniger Pandemiefolgen, sondern die aktuellen Bedingungen und Anforderungen. Der Tagungsband ist in fünf Abschnitte gegliedert. Drei Analysen zu verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit eröffnen den Band. Im zweiten Teil zu Rechtsansprüchen und Zugang zur Unterbringung sind fünf Texte zusammengefasst, die von den Hilfen nach §§ 67 ff. SGB XII und einer kritischen Durchsicht der Grundsätze zur ordnungsrechtlichen Unterbringungspflicht der Kommunen, über die Ergebnisse der ersten Erhebung im Rahmen der Bundesstatistik zur Ermittlung wohnungsloser untergebrachter Personen, bis zu lokalen Ansätzen zur Verbesserung von Organisation sowie Standards der öffentlichen Unterbringung reichen. Den Zugang zu eigenem Wohnraum bzw. dessen Erhalt thematisieren die vier Beiträge des dritten Abschnitts, beginnend mit einer Umfrage der BAG W unter den Einrichtungen der Ambulanten Wohnhilfen. Daran schließt sich die Darstellung von Präventionsarbeit aus Sicht der Immobilienwirtschaft an. Zwei wiederum lokale Beispiele zeigen erfolgreiche Ansätze in der Wohnraumakquise bzw. -schaffung. Die darauffolgenden neun Beiträge behandeln wichtige Fragen und Ansätze zur Teilhabe und Versorgung von Teilgruppen. Dabei geht es um Fragen der Partizipation von Menschen mit Erfahrungen in Wohnungslosigkeit in den Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe, um Hilfen für Familien und ein erfolgreiches Projekt zur Wohnraumversorgung für Frauen. Drei Texte behandeln migrationsspezifische Fragen. Ein lokales Beispiel zur vernetzten Zusammenarbeit zur Arbeitsmarktintegration beschließt diesen Abschnitt. Mit der Corona-Pandemie sind auch in den Wohnungsnotfallhilfen Fragen der physischen und psychischen Gesundheit stärker in den Fokus gerückt. Forschungsarbeiten leisten hierbei wichtige Unterstützung. In zwei Beiträgen werden Ergebnisse vorgestellt. Ein weiterer Text zeigt erfolgreiche Zugangswege in die Gesundheitsversorgung. Im Anschluss werden besondere Herausforderungen in der Versorgung psychisch erkrankter Personen in den Wohnungsnotfallhilfen diskutiert. Der Band endet mit einem Plädoyer für das Zusammenwirken von Wohnungsnotfallhilfe und Suchthilfe.

Die Veröffentlichung dokumentiert die zentralen Themen der Bundestagung 2022. Sie mögen die Lesenden zur weiteren Auseinandersetzung, Übernahme von Ansätzen oder Weiterentwicklung der Themen bewegen und in ihrer Arbeit unterstützen. Wir danken den Autorinnen und Autoren für die Erarbeitung und Bereitstellung ihrer Beiträge sowie die sehr gute Zusammenarbeit.